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Ein ERFAHRUNGSBERICHT aus dem Flutkatastrophengebiet

Ingrid Martin • 6. August 2021

EIN ERFAHRUNGSBERICHT:

 

"Arbeitskraft statt Geldspende" - das war die Devise von Stefan Arnegger, Landwirt aus Tettnang, als er sich mit den Landwirt-Kollegen Hubert Kling, Norbert Muth und Patrick Reichle auf den Weg ins Flut-Katastrophengebiet gemacht hat.

 

Als Stefan erfahren hat, dass die Flut seinem Kollegen Andreas Dick aus Holsthum in der Südeifel seine Hopfengärten zerstört hat, hat er nicht lange gezögert und ist losgefahren, um zu helfen. Die kollegiale Freundschaft ist vor 25 Jahren entstanden, als Andreas Dick seine Ausbildung im Hopfengut Bernhard Locher absolviert hat.

 

Wir haben Stefan gefragt, wie es ihm nach seinem Einsatz im Prümtal (Seitenteil des Ahrtals) geht:

 

Stefan, eine echte Frohnatur (manche kennen ihn von unserem Podcast "Weihnachtsbaumguru Stefan") ist noch sichtlich betroffen und meint "Ich kann das Ausmaß dieser Naturkatastrophe nur schwer erklären, die Fotos bilden noch nicht mal einen Bruchteil des echten Dramas ab". Stefan hat seine Eindrücke und Gespräche mit den Betroffenen vor Ort so zusammengefasst:

 

Die Flut:

Die Täler im Katastrophengebiet sind sehr schmal. Wenn nun aus den Ardennen Wassermassen dieses Ausmaßes in die Täler gelangt, gibt es keine Ausweichmöglichkeiten mehr. Die Katastrophe spitzte sich in der Nacht zu, als die Menschen schliefen. Die einzigen durchschlagenden Warnmöglichkeiten waren Kirchenglocken und Sirenen. Manche Menschen erwachten an den Schlaggeräuschen, als Wohnwägen bereits von den Fluten gegen Bäume gedrückt wurden. Die Kraft des Wassers ist noch erbarmungsloser, als die von Feuer, denn "es wird Dein ganzes Leben weggeschwemmt und es gibt nichts, was eine solche Flut aufhalten könnte", so Stefan.

 

Die Tage danach:

In den (sozialen) Medien kursierten ja sofort zahlreiche Anklagen, dass die Hilfskräfte- u. Hilfsorganisationen auf ganzer Linie versagt hätten.

Stefan beschreibt, dass alleine dem Prümtal 66 kleine Gemeinden mit jeweils eigenen Ortsvorstehern angehören. Ca. die Hälfte ist unmittelbar von der Katastrophe betroffen. Gleich in den ersten Stunden ist eine Art "Hilfsaktionismus" entstanden, was zu einem (Verkehrs-)Chaos geführt hat. THW, Feuerwehr, Rettungsdienste mussten in mitten dieser chaotischen Lage nach dem Prinzip "Wer braucht jetzt sofort am nötigsten Hilfe" die Lage klären. Laut Stefan liegt es in der Natur der Sache, dass die Hilfe für eine Katastrophe dieses Ausmaßes nicht innerhalb weniger Stunden perfekt koordinierbar ist.

 

Die nachbarschaftlichen Dramen:

Andreas Dick hat erzählt, dass er früher schon mit dem Schlauchboot durch die Hopfengärten gerudert ist. Hochstände sind im Prümtal keine Besonderheit. Weil die Flächen neben dem Fluss feuchte, fruchtbare Böden mit sich bringen, stehen dort auch die Hopfengärten. In den 50iger-Jahren gab es schon mal eine Flut-Katastrophe. Die Ausmaße waren seinerzeit allerdings nicht so dramatisch, weil die Flächenbebauung viel geringer war.

Was für die Bewohner eine echte zusätzliche "moralische" Belastung ist, sind die topographischen Gegebenheiten. Nicht selten hat es die Häuser im Tal vollständig zerstört, während die Häuser der Bewohner in den Hanglagen oberhalb unversehrt blieben. Diese Menschen müssen nun wieder ihrer Arbeit nachgehen und mit einem schlechten Gefühl ihre Nachbarn weiter unten sich selbst überlassen.

 

Randnotizen:

Laut Stefan steht vor Ort psychologische Hilfe zur Verfügung. Aber die Menschen sind so schwer traumatisiert, dass es vor allem Zeit und finanzielle Hilfen benötigt, um den Betroffenen wieder Hoffnung zu geben.

 

Die Maschinenring-Tettnang-Mitarbeiter Stefan, Hubert, Norbert und Patrick waren einige Tage im unentgeltlichen, freiwilligen Einsatz (Sprit wurde vom Hopfenpflanzerverband bezahlt). Es gibt laut Stefan auf verschiedenen Ebenen (Handwerk usw.) Menschen, die uneigennützig ihre Arbeitskraft, ihr Knowhow, "ihr Ohr" zur Verfügung stellen.

 

Wir ziehen den Hut vor diesen Menschen, die einfach machen! Und wir möchten auf diesem Wege noch mal allen Betroffenen viel Kraft, Durchhaltewillen, Zuversicht und Ausdauer wünschen.

 

"Man wächst an seinen Aufgaben" war Stefans finales Resümee.

Danke Stefan, Hubert, Norbert und Patrick!

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